Riederau am Ammersee

Historie


Aus: Heimatbuch für den Landkreis Landsberg am Lech,
        2. Auflage 1982, Seiten 673-679

Rieden a. A. [Anmerkung des Webmasters: "a. A." = früher offizielle Bezeichnung für "am Ammersee".]
Markt Dießen a. A.
Wilhelm Neu

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Die frühere Gemeinde Rieden a. A. nahm, was ihre Struktur und ihre Entwicklungsgeschichte betrifft, im Rahmen des Landkreises eine Sonderstellung ein. Die sieben Orte, aus denen sie sich zusammensetzte, nämlich Bierdorf, Lachen, Holzhausen, Rieden, Riederau, Romenthal und St. Alban, waren noch m die Jahrhundertwende kleine, unbedeutende Siedlungen, von denen nur Holzhausen Anspruch auf den Titel "Dorf" erheben konnte. Sie verteilen sich heute auf einer Fläche von 1470 ha in der Nord-Südausdehnung von nahezu 7 Kilometern zwischen dem Seeufer und einem dichten Waldgebiet. Die Meereshöhe schwankt zwischen 535 m am Seeufer und 575 m am westlichen Rand des Siedlungsgebietes. Der idyllischen Lage, z. t. unmittelbar in Ufernähe, verdanken die einzelnen Orte ihre rasche Entwicklung in den letzten 60 Jahren und so ist es auch der See, der das Gesicht der Landschaft und die "Blickrichtung" bestimmt. Dazu gehört im Rücken ein sich weit nach Westen ausdehnender Fichtenwaldgürtel, der sich mit einer reizvollen Wiesen- und Baumlandschaft verzahnt. Das "Seeholz" zwischen Holzhausen und Riederau in einer Größe von rd. 66 Hektar, ein unter Naturschutz gestellter Mischlaubwald, ist mit uralten Eichen durchsetzt. Besonders charakteristisch sind die zahlreichen Wasserläufe, die sich westlich der Ammerseestraße in tief eingeschnittene Zuflüsse gabeln. Diese starke Wassertätigkeit ist auf große Kalktufflager zurückzuführen, die vor allem im südlichen Gemeindegebiet in geringer Tiefe anzutreffen sind.
Auf eine vorgeschichtliche Besiedlung deutet ein kleines Grabhügelfeld der Hallstattzeit (ca. 750 bis 450 v. Chr.) 800m südwestlich von Holzhausen. Die Römerstraße Augsburg-Brenner wird im Gemeindegebiet z. T. von der heutigen Ammerseestraße überlagert, tritt aber an einigen Stellen, - entweder bei starken Kiesablagerungen auf den Äckern (südlich Bierdorf und westlich Holzhausen) oder durch Aufschlüsse bei Bauarbeiten (Riederau), bei Hohlwegen und Materialgruben (Bierdorf, Riederau, Holzhausen) - immer wieder in Erscheinung. Spärliche Funde aus der 2. Hälfte des 3. Jhs. n. Chr. in der Holzhausener Flur (Tonlampe, Scherben, Münzen) mögen ein Hinweis auf eine kurzfristige römische Besiedlung sein. Ein Reihengräberfriedhof aus der Landnahmezeit des 6. Jhs. wurde 1921 ostwärts Haus Nr. 5 in Bierdorf aufgedeckt. In das frühe Mittelalter gehören wohl die Reste einer Umwallung bei der Kirche St. Alban, sowie der unterirdische Gang südlich der Holzhausener Kirche, der nach Augenzeugenberichten in nordwestlicher Richtung steil abfällt und in einem Raum mündet,  "in dem man mit dem Wagen hätte fahren können". - Die Geschichte der Gemeinde ist bis zu einem Gewissen Grad auch heute noch eine Geschichte ihrer einzelnen Ortsteile. Der weitaus früheste urkundliche Nachweis ist von Holzhausen überliefert, als nämlich Isanhart aus dem Geschlecht der Huosier im Jahr 776 einige seiner Güter, darunter "Holzhusun" (Häuser am Holz) dem Kloster Schlehdorf vermachte. 1226 besaß ein gewisser Otto Fuez das Patronatsrecht in "Holzhusin" und das dortige Gut "Vischlehen" (heute Nr. 2). Im 14. Jh. hatte bereits das Kloster Dießen den "unteren und oberen Hof" (heute Nr. 8 und 5) im Besitz. 1456 - damals bestand der Ort nur aus vier Anwesen -, wird die St. Ulrichskirche als "Pfarrkirche" erwähnt, was auch Plazidus Braun in seiner Geschichte der Diözese Augsburg ausdrücklich festhält; zum mindesten hatte der Ort damals pfarrliche Rechte.
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Abbildung " Der Luftkurort Riederau a. A. (freigegeben Luftamt Südbayern Nr. G 26/1867)
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Riederau, heute mit Abstand der größte Ortsteil bis 1978 Sitz der Gemeinde, liegt wie Rieden unmittelbar an der alten Römerstraße, auf der noch im Mittelalter viele Kaiser mit ihrem Heerbann nach Italien zogen. Es wird urkundlich im Jahre 1126 als
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 "Riderowe" erwähnt, als Conrad von Holzhausen sein dortiges Gut an das Kloster Bernried schenkte. 1388 erhielt das Kloster Dießen den Hof zu "Ryderau" im Tausch von Wessobrunn. Der Weiler bestand bis in die Mitte des vorigen Jhs. aus 4 Anwesen und zwar aus 2 Halbhöfen und 2 Sölden. 1903 gab es erst 6 Häuser im Ort, 1950 dagegen 116. (Holzhausen: 12-64). Der Name deutet wie Rieden auf  eine Rodungssiedlung.
Außer der Kirche St. Petrus Canisius und einer evangelischen Kirche steht beim Haus Nr. 1 (Unterbauer) noch eine kleine, 1796 erbaute Maria-Hilfkapelle mit halbrundem Altarraum und Zwiebeldachreiter. Der Altar zeigt bereits frühklassizistische Ornamente; besonder bemerkenswert eine Holzfigur des hl. Sebastian vom Ende des 15. Jhs. Das einzige beachtenswerte alte Bauernhaus in der Gemeinde ist Hs. Nr. 3 (Ober- oder Lenzbauer), ein stattlicher Flachdachbau mit profilierten Pfettenköpfen und Bundwerk über dem Stall aus der 2. Hälfte des 18. Jhs. (heute Kreisheimatstuben). [Anmerkung des Webmasters: Die Kreisheimatstuben wurden 1997 geschlossen und das Anwesen 2005 an Privat verkauft.]
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Die Entwicklung der Gemeinde zu Ihrer späteren Größe und Bedeutung setzte, wie schon erwähnt, erst nach der Jahrhundertwende ein, als besonders die Orte Riederau und Holzhausen von Freunden ländlicher Abgeschiedenheit in der Nähe des Ammersees aufgesucht und besiedelt wurden. Damals war Holzhausen eine bekannte Malerkolonie, nachdem die ersten Künstler 1894 das Dorf und die malerische Lage "entdeckt" hatten; nach 1903 entstanden die ersten Villen auf dem damals spottbilligen Baugrund.
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Am Heiligen Abend 1899 fuhr der erste Zug auf der Strecke Augsburg-Weilheim, und Riederau wurde Bahnstation; gegen eine solche in Holzhausen hatten sich die dort ansässigen Maler mit Erfolg gewehrt. Längst war auch schon die Ammerseeschiffahrt in Betrieb, aber erst nach 1900 erhielten Holzhausen, Riederau und St. Alban ihren Dampfersteg.
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Bauliche Entwicklung
Schon im Jahre 1934 wurde die Gemeinde Rieden zum Wohnsiedlungsgebiet erklärt. Das schmucke Rathaus im Ortskern von Riederau errichtete 1937 Architekt Hans Holzbauer, der in Holzhausen seinen Wohnsitz hatte. Dem leider Frühverstorbenen verdankt die Stadt Landsberg die wohlgelungene Umgestaltung des Hauptplatzes und die neue Bergstraße.
Am letzten Weltkrieg nahmen 83 Bewohner teil, 21 Gefallene und 19 Vermißte sind zu beklagen. Mit dem Einmarsch französischer Einheiten am 4. Mai 1945 in Riederau begann ein neues Kapitel im Gemeindegeschehen:
In den folgenden Jahren galt es, eine große Zahl Heimatvertriebener unterzubringen, nach der Statistik die meisten in allen Gemeinden des Kreises. Zu diesem Zweck wurde schon 1950 ein 7-Familienhaus in Bierdorf und 1957 ein 8-Familienhaus in Holzhausen - nach Auflösung des dortigen "Waldlagers" - erbaut. Der 2. Bauabschnitt der 1949 errichteten Schule wurde Ende1951 fertiggestellt. Ebenfalls 1949 wurde die Kriegergedächtnisstätte in Riederau eingeweiht; ihre Umgestaltung in Form von 4 niedrigen Steinkreuzen durch Bildhauer Ferdinand, München, erfolgte 1956. 1954 begann der Ausbau des gemeindeeigenen Straßennetzes mit dem Teilstück von der Abzweigung der Ammerseestraße mit Ortsdruchfahrt Holzhausen bis zur Gemeindegrenze Utting. Die Zufahrtsstraßen nach Bierdorf, Lachen und St. Alban wurden 1961 und 1962 geteert. Dann folgte die Erstellung eines Lehrerwohnhauses, der Bau der neuen Friedhofsanlage und die Arbeiten im Zuge der Abwasserbeseitigung Ammersee-West. Die Namen der Bürgermeister
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seit dem Jahr 1946 lauten: Alban Vetterl (1946-52), Ludwig Sauer (1952-56), Moritz Bauer (1956-60), Dipl.-Ing. Robert Weber (seit 1960) und Theodor Seibold (1968-78). Im Jahre 1953 erhielten 4 verdiente Persönlichkeiten das Ehrenbürgerrecht: Karl Bahner, Prof. Adolf Münzer (+), Adam Präger und Prof. Richard Trunck. Im gleichen Jahr fand die Einweihung des Riederauer Genesungsheimes statt, das im Besitz der Diakonissinnen aus Gunzenhausen ist. Die Einführung des Gemeindewappens wurde im Dezember 1954 ministeriell genehmigt: Es zeigt in 2 Feldern auf grünem Grund oben einen halben Adler (Hinweis auf die ehemalige Grundherrschaft des Klosters Dießen), darunter 7 fünfstrahlige goldene Sterne als Sinnbild der sieben Ortsteile. Zum Gedächtnis an den großen Wissenschaftler und Sportsmann Dr. Manfred Curry, der sich durch seine medizinischen, bioklimatischen und aerodynamischen Forschungen einen Namen gemacht hat, wurde 1955 die Klinik auf seinen Namen südlich Riederau eingeweiht, durch seinen baldigen Tod dann 1970 geschlossen und von der Bayerischen Vereinsbank als Heim übernommen. Die Bayerische Verwaltungsschule wird 1956 vom Ministerpräsidenten in Holzhausen eröffnet. Auf dem Grundstück "Sieben Eichen", direkt am See, errichtete der Münchener Architekt Karl Kergl die ansprechende Baugruppe. Zwei Jahre später folgte der Ausbau des ehemaligen Hotels "Panorama" zu einer Zweigstelle der Schule. Dadurch ist Holzhausen - ehemals als Malerkolonie weitbekannt - heute in ganz Bayern im Öffentlichen Dienst als Ausbildungsstätte ein Begriff geworden.
Seit dem 1. Januar 1972 ist der Ortsteil Holzhausen der Gemeinde Utting am Ammersee zugeteilt worden; die Gemeinde Rieden am Ammersee kam 1.5.1978 zur Marktgemeinde Dießen. Bis dahin konnte die ehemalige Gemeinde und vor allem der Ortsteil Riederau noch eine Reihe überörtlich bedeutsamer Errungenschaften vorweisen.
So wurde 1968 das neue Strandbad eingeweiht mit dem originellen Pavillonbau des einheimischen Architekten Dipl.-Ing. Heinz Kloepfer.
Kreisheimatstuben
Auf Initiative von Landrat Müller-Hahl konnte der Kreis 1966 den als Baudenkmal wertvollen "Stohrer-Hof" für ein Bauernhofmuseum erwerben. Diese auf Landkreisebene sicher in weitem Umkreis einmalige Einrichtung der "Kreisheimatstuben" wurde 1967 bis 1974 weiter ausgebaut und für den Besucherverkehr geöffnet. Als Exponate dienen ausgewählte Möbelstücke, bäuerliches Gerät und handwerkliche Gegenstände, so wie sie früher in einem größeren Bauernhof vorhanden waren. Eine umfangreiche Sammlungstätigkeit durch freiwillige Helfer war vorausgegangen. 1971 konnte einer der letzten noch im Kreis vorhandenen Getreidekästen vom Jahr 1696 (aus Pessenhausen) gerettet und beim Hof aufgestellt werden. [Anmerkung des Webmasters: Die Kreisheimatstuben wurden 1997 geschlossen und das Anwesen 2005 an Privat verkauft.]
Bis zum Anschluß an Dießen waren fast alle Straßen geteert. 1969 mußte die Volksschule aufgelöst werden; ihre Räume beherbergten von da an den Kindergarten. Im gleichen Jahr wurden die Straßennamen eingeführt. 1976/77 erfolgte die Restaurierung der Kapelle Mariae Hilf (innen und außen), 1977/78 die der Petrus-Canisius-Kirche und schließlich 1978/79 eine wohlgeglückte Gesamtrestaurierung der Kirche St. Alban.
Der 1977 erbaute "Kramerhof" ist ein ansprechendes, ortsbildbestimmendes Gebäude; eine weitere Gaststätte ist nur noch die "Pfeffermühle", nachdem die alte Bahnhofswirtschaft 1975 abgebrochen wurde.
Sozusagen zum Abschied von seiner Selbständigkeit als ehemaliger Gemeindesitz feierte Riederau 1977 sein 850jähriges Bestehen mit einem Festakt und der Herausgabe einer kleinen Ortsgeschichte, verbunden mit der 100 Jahr-Feier der Freiwilligen Feuerwehr.
 
Die Abschrift erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Kreisheimatpflegerin des Landkreises Landsberg am Lech und wird in Kürze weiter vervollständigt.

 


Stand: 03.03.2013, Vers. 4.000.0

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